Passionsandacht 6/8

Jesus und die weinenden Frauen

Bibeltext:

27 Viele Leute aus dem Volk folgten Jesus.
Darunter waren Frauen, die sich auf die Brust schlugen
und um ihn weinten.
28 Aber Jesus drehte sich zu ihnen um und sagte:
»Ihr Töchter von Jerusalem, weint nicht um mich!
Weint vielmehr um euch selbst und um eure Kinder.

Es es auf diesem grausamen weg nicht eine schöne Geste, wenn Menschen trauern und weinen? Sollte es für Jesus nicht eine Ermutigung sein, dass der doch nicht ganz alleine da steht, sondern andere ihn sehen und die Situation beweinen? Daher scheint die Reaktion von Jesus überaschend. Anstatt ein „Danke, dass wenigstens ihr seht, welches Unheil hier an mir getan wird!“ entgegnet Jesus: „…weint nicht um mich. Sondern weint um euch selbst und eure Kindern.“

Wenn hier von dem Volk berichtet wird, wird das wahre Israel angesprochen. Ganz egal, ob es eine öffentliche Sitteoder Pflicht ist, „Jerusalems Töchter“ trauern und ihre Hirten triumphieren (Gerhard Maier) (vgl. Sachaja 11,4ff). „Ihr Töchter Jerusalems“ ist eine bemerkenswerte und mitleidige Anrede Jesu, die an das Hohelied erinnert (vgl. Hl 2,7) und ist zu gleich auch eine sehr ernste Anrede, weil sie an die Gerichtesworte aus Jesaja erinnert (vgl. Jes 3,16). „Weint nicht über mich, sondern weint über euch selbst.“ Euer eigenes Unheil wird größer sein. Kann es ein größeres Leid geben, als das was Jesus gerade durchmacht? Nein, aber Jesus weiß, dass er zum Vater gehen wird. Sie dagegen werden wegen ihrer Sünde sterben, der Sünde Jesus als Messias abgelehnt zu haben. Jesus war auch in dieser situation der womöglich selbstloseste Mensch, den es je gegeben hat. Auf dem Weg des Leids, das Heil der Menschen im Herzen und auf dem Munde. Er spricht aus, was er fühlt. Selbstlose Liebe.

Sein Weg, ist ein Weg mit Ziel. Er folgt seiner Berufung als Gottes Sohn, um vielen zu Helfen. Die heutige Möglichkeit einer persönlichen Gottesbeziehung beruht auf dieser selbstlosen Liebe von Jesus Christus. Diese Erzählung mit den Frauen spricht uns in Hier und Jetzt an: Der Weg zum Karfreitag, soll keine Trauerzug sein, bei dem wir Jesus bemitleiden, trauern und weinen und danach unserem Alltagsgeschehen nachgehen. Der Weg zu Karfreitag ruft in Erinnerung, was wir Menschen wirklich brauchen: selbstlose Liebe, Vergebung und Versöhnung mit Gott dem Vater, durch den einen Sohn Jesus Christus, dem Retter: Jesus spricht und verdeutlicht: „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben.“ (Joh 14,6).

Gebet:

Jesus, danke, dass du diesen Weg mit einer uneingeschränkten Selbstlosigkeit gegangen bist. Welch eine Liebe hast du uns Menschen und mit persönlich damit erwiesen. Lass es auf dem Weg zu Karfreitag mehr und mehr verstehen, was uns wirklich angeht und lass mich erfahren, was wirkliche Vergebung und Versöhnung bedeutet. Lass auch mich vergeben, wo ich mich verletzt fühle. Mach mich bereit, Versöhnung zu suchen, wo jetzt noch Wut und Trennung herrscht. Du hast uns gezeigt, was ware Liebe ist. Führe mich auf diesem Weg, der selbstlosen Liebe. Amen. 


BasisBibel: Altes und Neues Testament (Stuttgart: Deutsche Bibelgesellschaft, 2021), Lk 23,27–28.

*inspieriert durch: Dieser Weg. Gedanken und Gebete zur Passion in 12 Stationen. Stiftung Marburger Medien, 2016.